Begrüßung zur Gedenkveranstaltung am 9. November 2015

 

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger!

Ich begrüße Sie im Namen der Aktion Toleranz zu unserer heutigen Gedenkveranstaltung an den 9. November 1938. Wir erinnern an die von den Nazis organisierte Reichspogromnacht.  Wir erinnern an Mord und Totschlag, an den Beginn der organisierten Vernichtung der deutschen und dann der europäischen Juden. Wir erinnern an die Verfolgung Andersdenkender oder andersartiger oder wie die Nazis auch sagten „andersrassiger“  Menschen. Den Opfern dieser Taten gedenken wir heute. Unser Ziel ist es zu verhindern, das solches wieder geschieht.  Wehret den Anfängen.

 

In den vergangenen Jahren haben wir an jene Menschen und Gruppen erinnert die dem nationalsozialsistischen Vernichtungsprogramm zum Opfer fielen. Wir haben gesehen, dass diese Menschen auch aus Mörfelden-Walldorf gleichsam aus unserer Mitte kamen.

 

Erinnern ist sinnlos ohne Beziehung zur Gegenwart -  es bliebe dann folgenlos.

 

Wenn wir den Opfern gedenken dann gedenken wir jener Menschen die keine Gelegenheit zur Flucht hatten, oder jener die sich garnicht vorstellen konnten fliehen zu müssen. Vielleicht weil sie als jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger keinerlei Probleme mit ihren christlichen Nachbarn hatten, vielleicht weil ihnen im letzten Krieg zwischen 1914 – 1918 ein Eisernes Kreuz verliehen wurde. Vielleicht, weil sie sich als ordentliche Bürger nichts hatten zu Schulden kommen lassen, oder sie als gute Sportler im Verein garnicht die Frage kannten, ob sie intergriert seien.  

 

Aber wir haben auch Anlaß jener zu gedenken, die den Mut hatten ihrer  Erkenntnis zu folgen, dass sie keine Chance hatten in Deutschland. Nicht wirtschaftlich, nicht gesellschaftlich und nicht zu überleben und flohen. 

 

Allein hätten sie oftmals keine Chance gehabt. Und so erinnere ich heute an jene Helferinnen und Helfer, die diese Flüchtlinge versteckten und ihnen weiterhalfen. Jenen die Flüchtlingen durch ein Schloß an der Loire - Chenonceau - hindurch vom besetzten in das zunächst noch freie Frankreich verhalfen.  Und den Helfern die Flüchtlinge über die Pässe der Pyrenäen führten. Oder an jene mutigen dänischen Fischer die die Flüchtlinge auf ihren Booten nach Schweden brachten. Sie haben auf diese Weise die jüdische Bevölkerung Dänemarks fast vollständig  vor dem Zugriff der Nazis bewahrt. Ich erinnere an Jeanne Barnier eine 25jährige Gemeindeangestellte aus dem kleinen Dorf Dieulefit im Departement Drome – mit 3000 Einwohnern, die für nicht weniger als 1500 Verfolgte mit dem beherzten Griff in die Dokumentenschublade falsche Personalpapiere ausstellte.  

 

Würden wir sie alle heute als Schlepper bezeichnen? 

 

Mit dem Fokus auf Flucht und Asyl kehrt die Aktion Toleranz dieses Jahr zu ihrem Ursprung zurück  Als wir uns 1993 zusammenfanden, hieß die Parole das „Boot ist voll“.  Flüchtlinge wurden auf dem Weg nach Frankfurt zum Sprachkurs angepöbelt und geschlagen.  Heute sind viele Boote voll und es bleibt bei weitem nicht beim Anpöbeln. Es brennen bewohnte und noch nicht bewohnte Flüchtlingsunterkünfte – bis Anfang Oktober 2015 gab es über 490 Übergriffe davon über 60 Brände.  Die Unterkunft in Hofheim wurde beschossen.  Nicht nur in Sachsen musste man zwischenzeitlich den Eindruck gewinnen die Polizei mithin der Staat kapituliere vor dem rechten Mob. Allzu lange hat sich Politik mit symbolischen Aktionen aufgehalten anstatt ein Konzept zu den Fragen von Einwanderung und Asyl zu ersinnen. Ein solches wäre Voraussetzung für glaubwürdige Politik in Migrationsfragen.

 

Andererseits erleben wir auch eine breite Welle der Solidarität. Viele Mitbürgerinnen und Mitbürger auch hier in Mörfelden-Walldorf unterstützen jene Menschen die zu uns geflohen sind. Das ist ein erkennbarer und ermutigender Unterschied  zu den 90er Jahren.

 

Die Gleichung aus den 90er Jahren: Steigende Flüchtlingszahlen + rassistische Demonstrationen + Anschläge = Asylrechtsverschärfung,  darf sich nicht wiederholen!

 

Flüchtlingen die um ihr Leben laufen, Zuflucht zu gewähren,  gehört für uns die AT,  zum Kern der Konsequenz aus den Lehren unserer deutschen Geschichte. 

 

Mitbürgerinnen und Mitbürger. Ist die Aufnahme einer großen Zahl von Flüchtlingen aus furchtbaren Verhältnissen wie Kriegen, Bürgerkriegen, ökologischen Katastrophen oder Terrorherrschaft  unproblematisch – keineswegs. Ist ihre Integration eine große Herausforderung für uns alle – absolut.  Aber die praktischen Konsequenzen aus den Lehren unserer Geschichte, die wir im Artikel 16 des GG dem Grundrecht auf poliitisches Asyl sehen, zu ziehen,  ist eben keine Schönwetterveranstaltung. Im Gegenteil! Ob diese Lehre gezogen wird erweist sich – jetzt! Ich will an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen, dass ich meine Worte für heute Abend mehrfach überarbeitet habe und das die Aktion Toleranz nicht in Anspruch nimmt die Lösung für die momentane Situation parat zu haben.

 

Es darf nicht den Rechten überlassen bleiben die nicht durchgängig positiven kollektiven Erfahrungen der "solidarischen" Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen wie der aktuellen zu formulieren. Immerhin werden die Flüchtlinge schon jetzt als Begründung für die Aufweichung des Mindestlohns benutzt. Und natürlich sind die Bedenken von Arbeitnehmern die vielleicht über keine so gute Ausbildung verfügen verständlich,  wenn sagen wir,  1 Mio zusätzlicher Billigstarbeitskräfte die weder gewerkschaftlich organisiert sind noch das Wahlrecht haben auf dem Markt wären.  Wir erinnern uns dass genau solche Gegensätze von den Nazis perfekt genutzt wurden um ihre verbrecherische Ideologie mehrheitsfähig zu machen. Auch diese Erkenntnis fand Eingang in die Normen des Grundgesetzes, nämlich in Artikel 20 dem Sozialstaatspostulat.

 

Wir sehen, dass die Situation viele gesellschaftliche Fragen verschärft aufwirft, und sie ist viel komplexer ist als es die Talk-shows vermuten lassen und sie haben mit den Flüchtlingen selbst eigentlich nur mittelbar zu tun. All jene Fragen nämlich, die über Geld für Unterkünfte und Aufforderungen an die "Zivilgesellschaft" tätig zu werden oder die Einrichtung von Transitzonen respektive Einreisezentren hinausgehen.  Es sind die Fragen nach einer glaubhaften Außenpolitik, es sind dir Fragen nach Rüstungsproduktion und -export. Es sind die Fragen nach den sozialen Verhältnissen in Deutschland.

 

Natürlich ängstigt die momentane Situation viele Mitbürgerinnen und Mitbürger – die Welt scheint aus den Fugen. Aber nachdem nun Politik tatsächlich erkannt zu haben scheint, dass Fluchtbewegungen Ursachen haben, möchten wir Licht ins Dunkel der aktuellen Diskussion bringen, denn Angst ist ein schlechter Ratgeber. Der sogennanten Flüchtlingskrise sind andere vorausgegangen.

Damit komme ich zu unserer heutigen Rednerin. Ich begrüße Frau Katja Maurer von medico International. Die AT hat schon verschiedentlich mit medico koopereriert u.a. bei der Kampagne gegen Landminen. medico ist eine Organisation die auch in den meisten Herkunftsregionen der aktuellen Flüchtlinge Gesundheitsversorgung und soziale Projekte unterstützt. Von Beginn – Ende der 60er Jahre  – ist es das Arbeitsprinzip von medico mit Partnern der Zivilgesellschaft vor Ort zusammernzuarbeiten.  Das bedeutet medico kennt gesellschaftliche Hintergründe von Fluchtbewegungen aus direkten Kontakten. 

 

Die Rahmung erfolgt heute durch eine Musikauswahl Bodo Kolbes in der es um die Erfahrung von Migration geht, die eigentlich ununterbrochen in der Geschichte stattfand und stattfindet.

 

Zum Ablauf: Bürgermeister Heinz-Peter Becker und  Stadtverordneten-vorsteher Werner Schmidt werden nach den Beiträgen einen Kranz am Gedenkstein niederlegen, im Anschluss daran haben Sie die Möglichkeit, ebenfalls Blumen niederzulegen.

 

Danach ist die Kundgebung beendet.

Wir beginnen mit einer Musik danach spricht Frau Katja Maurer von medico.

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Freundinnen und Freunde,

Ich möchte mich bedanken, dass Sie mich hier heute zum Gedenken des 77. Jahrestag der Reichspogromnacht eingeladen haben. Wie Ihnen ist das auch mir ein wichtiges, ja persönliches Datum. Denn auch meine Familie väterlicherseits hat diesen Tag vor 77 Jahren als Betroffene miterleben müssen. Nachdem die Synagoge in der direkten Nachbarschaft brannte, wurde auch ihr Wohnungsinventar geplündert und aus dem Fenster geworfen. Es war der Auftakt zur Auslöschung jüdischen Lebens in Deutschland. Auch Mitglieder meiner Familie haben dies nicht überlebt.

Ich stehe hier 77 Jahre danach und bin froh hier zu stehen, gerade in diesem Jahr. Denn ich glaube, dass Initiativen wie die Ihre, die Jahr für Jahr am 9. November dieses Ereignisses gedenken, wesentlich dazu beigetragen haben, dass aus Deutschland nicht nur Nachrichten der Dominanz und Ignoranz kommen, sondern auch Zeichen der Mitmenschlichkeit. Es gibt wohl kaum ein Land, das sich – bei aller Kritik, die man daran immer noch haben  kann – derart den eigenen Verbrechen gestellt hat. Dank Initiativen wie der Ihren. Gerade deshalb ist es doch nicht vorstellbar, dass an deutschen Grenzen und unter deutscher Aufsicht und Willen wieder eine Form von Lagerhaltung für Menschen entsteht, die um ihr Überleben kämpfen.

Ich möchte den Bericht einer deutschen Journalistin zitieren, die vor wenigen Tagen aus Slowenien berichtete. Sie war mit einem Flüchtlingstreck unterwegs und geriet unverhofft in eine Situation, in der sie zur Vermittlerin zwischen Polizei und Flüchtenden wurde, weil sie arabisch spricht. Die Ausgangslage: Die slowenische Polizei möchte alle Flüchtenden in ein Lager verbringen. Aus dem Lager heraus rufen aber bereits Flüchtlinge, dass sie das nicht zulassen sollen, weil es so schrecklich sei. Daraufhin bitten die Flüchtlinge die deutsche Journalistin mit arabischen Wurzeln, stellvertretend für sie ins Lager zu gehen und das zu überprüfen. Sie schreibt:


Mit dem Polizeichef gehe ich auf der anderen Seite des Deiches hinunter. Und dann sehe ich das sogenannte Camp: eine schwarze Sandsteppe. Darauf sorgfältig aufgebaute Gehege. In einigen Bereichen vegetieren Menschen vor sich hin. Hängen am Zaun, kauern auf dem Boden. Der Himmel ist schwarz, Flutlicht hüllt die Szene in grelles Licht, über allem eine riesige Rauchwolke. Ein martialisches Bild mitten in Europa. 

Wir gehen durch das Gehege. Ich erwarte, dass der Polizeichef mich in ein Zelt oder ein Gebäude führen wird, mir die Verpflegung und die Schlafmöglichkeiten zeigen. Doch er bleibt stehen. Ich schaue ihn an. "Wo sollen die Menschen denn nun hin?", frage ich ihn. Stille. Ein Blick nach unten. "Hier?" Er nickt. Und wo schlafen sie? Er nickt. Und die Kinder? Er nickt. Stille. Ich bilde mir ein, dass seine Augen glasig werden. Einige Flüchtlinge, die uns gefolgt sind, schauen mich erwartungsvoll an. Ich halte Blickkontakt mit einem bärtigen Mann, er hält zwei Kinder an den Händen. Ich will etwas sagen, doch die Worte fehlen mir. "Es tut mir Leid", sage ich schließlich, "doch das hier ist das Camp. Hier wirst du auf dem Boden schlafen. Auch deine Kinder. Ich habe das nicht gewusst." Er blickt freundlich. "Das macht uns nichts", sagt er, "aber bitte, gibt es wenigstens Decken für unsere Kleinen?" Erwartungslos blicke ich zum Polizeichef. Er schüttelt den Kopf. Decken gibt es nicht. Und Essen und Trinken? Das gibt es, sagt er energisch. Und wann? Das wisse er nicht. Gesenkter Blick. 

In diesem Moment bleibt die Zeit stehen. Es ist eine Kapitulation. Eine Offenbarung. Das ist das, was den Menschen hier geboten wird. Ein Außengehege in bitterer Kälte. Sie hatten mich benutzen wollen, um die Menschen in diese Hölle zu locken. Doch nun liegt die Wahrheit auf dem Tisch. Und ich will mich in Luft auflösen. Denn auf der anderen Seite warten 2.000 Menschen darauf, dass ich ihnen sage, was sie tun sollen. 

Ich atme tief durch. Die Flüchtlinge warten auf meine Ansage: "Was empfiehlst du uns? Sollen wir hineingehen, oder nicht?" Stille. "Die Wahrheit ist, dort drinnen ist es nicht besser als hier", sage ich schließlich. "Es ist schrecklich. Es tut mir Leid." 


Während wir uns hier versammeln, spielen sich diese und ähnliche Szenen auf der Balkan-Route ab. Es gibt dort Hilfe, es gibt aber auch viel staatliche Gewalt. Und es sind täglich Tausende dort unterwegs. Medico unterstützt gemeinsam mit No-Border-Aktivisten einen Bus, der überall herumfährt und versucht die Flüchtenden mit dem Nötigsten zu versorgen. Und wissen Sie, was das Nötigste ist?  Strom, um die Handys aufzuladen und sich so verständigen zu können. Darüber: Welche Fluchtroute am durchlässigsten ist, wo es Hilfe gibt, wie sich die Gesetzeslage verändert, wie man sich zusammen tun kann, um das Grenzregime Europas trotzdem zu überwinden. 

Die Organisation, für die ich hier stehe, medico international arbeitete mit lokalen Partnern in all den Regionen, aus denen diese Menschen kommen. Wir unterstützen den Wiederaufbau im syrisch –kurdischen Kobane, wir finanzieren Hilfslieferungen über unsere Partnerorganisation Jafra nach Yarmouk, dem palästinensischen Stadtteil in Damaskus, der immer wieder von Regierungstruppen eingeschlossen wird und den man nur verlassen oder in den man nur hinein  kann, wenn man 14 Checkpoints heil übersteht. Wir unterstützen eine Initiative von Bürgern in Erbin, ein Vorort von Damaskus, die in Kellern ihrer Häuser den Unterricht für die Kinder des Ortes aufrecht erhalten. Dieser Ort ist immer wieder betroffen von dem Abwurf von Fassbomben, die die Assad-Regierung einsetzt, und die wie Splitterbomben wirken. Wenn wir mit den Kollegen vor Ort telefonieren ist es nicht ungewöhnlich, dass wir diese Kriegsgeräusche hören.

Medico ist seit Beginn der syrischen Demokratiebewegung mit lokalen Partnern in Kontakt. Wir haben die Verwandlung des demokratischen Aufstandes in einen Bürgerkrieg miterlebt, wozu aus unserer Sicht wesentlich das Assad-Regime und seine gewaltsame Unterdrückung des Demokratiebestrebens beigetragen hat. 

Nun verharrt die Situation in kompletter Aussichtslosigkeit. Die größte humanitäre Katastrophe seit dem zweiten Weltkrieg existiert seit vier Jahren. Aber zur Kenntnis genommen wird sie in Europa erst,  seitdem die Menschen sich auf den Weg machen, weil sie für sich keine Zukunft mehr vor Ort sehen. Europäische und deutsche Politik hätten dies verhindern können, wenn sie begriffen hätte, dass dies keine  Katastrophe ist, die man einhegen kann, indem man ihr die Aufmerksamkeit entzieht und die Menschen wegsperrt. In dem Moment, da sich die Menschen zu Tausenden auf den Weg gemacht haben, haben sie auch die Wahrheit dieses Krieges und des unendlichen Leids, den er verbreitet, mit sich genommen. Sie zeigen uns, dass sie Menschen sind wie Du und ich und dass sie dasselbe Recht auf Recht haben wie wir. 

Mit den Flüchtenden ist die Welt ein Stück kleiner geworden, und zwar für uns, die wir mit so vielen Privilegien ausgestattet sind. Trotz einer Politik, die immer noch behauptet, sie könne die Menschen wieder loswerden und aussperren, trotz verbreitetem Rassismus und Xenophobie, gibt es bei uns auch eine Zivilgesellschaft, die Mitgefühl zeigt. Ich finde das Engagement der Ehrenamtlichen Helfer, der Menschen, die ihre Wohnung zur Verfügung stellen, derer, die freiwillig Deutsch-Kurse geben oder die Flüchtlinge im Kirchenasyl verstecken, damit sie nicht ausgewiesen werden, überwältigend. Ich erlebe das auch persönlich als große Erleichterung, dass so viele diese Mitmenschlichkeit an den Tag legen und dabei ihr ruhiges Leben riskieren. Denn dieses Deutschland ändert sich nun und vielleicht ist diese Änderung so einschneidend wie die Proteste von 68, die Deutschland an seine Nazi-Vergangenheit erinnerten. Nun müssen  alle begreifen, dies ist ein Einwanderungsland. Und das verlangt auch von uns Veränderung.

Aus meiner Erfahrung als Mitarbeiterin einer Hilfsorganisation kann ich sagen, dass für dieses große zivilgesellschaftliche Engagement wichtig ist über die konkrete gute Tat hinauszudenken ohne diese zu lassen. Medico fasst das in die Worte: Hilfe verteidigen, kritisieren, überwinden.  

Zur Zeit werden die Rechte der Geflüchteten auf unerträgliche Weise eingeschränkt. Hilfe für Flüchtlinge muss sich mit diesen Fragen auseinandersetzen und dazu Stellung beziehen, sonst ist sie nicht mal ein Heftpflaster auf die immer wieder aufgehende Wunde. Das ist Teil eines emanzipatorischen Prozesses,  der sich unter den Helfenden vielleicht noch entwickeln wird. Die Ehrenamtlichen wissen ja selbst, dass sie auf Dauer mit Mitmenschlichkeit allein keine sinnvolle Unterstützung der Migrant_innen leisten können, um ihnen ein selbstständiges Leben zu ermöglichen. Aber als Augenzeugen der Diskriminierung, denen doch die Geflüchteten und Migrant_innen in vielfältiger Form ausgesetzt sind, sind sie unersetzlich. Alle, die sich für die geflüchteten Menschen engagieren, brauchen ein politisches Projekt, das über die Einzelfallhilfe hinaus geht, sonst werden die Frustrationen auch bei den Helfenden groß sein. Dieses politische Projekt besteht meiner Ansicht nach darin, dass die Geflüchteten ein Recht auf Rechte haben. Das ist auch der einzige Weg, um die Abhängigkeit von Hilfe zu überwinden. 

Zum Schluss möchte ich aus dem Brecht Gedicht Kinderkreuzzug zitieren und darauf verweisen, dass der Kinderkreuzzung damals keine Rettung fand. Das kann heute anders sein, wenn wir solidarisch bleiben.