Die Aufgabe bleibt

Im September 1991 hat man in Hoyerswerda Flüchtlinge gejagt. Im August 1992 brannte ein Asylbewerberhaus in Rostock-Lichtenhagen. Im November 1992 gab es den Mordanschlag in Mölln. Im Mai 1993 wurden fünf Menschen in Solingen durch einen Brandanschlag ermordet. Wir können uns erinnern. Wir wollen es nicht vergessen.

 

„Wehret den Anfängen“

Wehret den Anfängen sagten wir, aber die ausländerfeindliche Stimmung in der Bevölkerung war schon weit ausgebreitet. Damals im September 1993 wollten wir handeln. Mit ersten Veranstaltungen und mit der jährlichen Kranzniederlegung am 9. November am Gedenkstein für die jüdische Synagoge in Mörfelden.Wir haben der gefährlichen Ausländerfeindlichkeit etwas entgegen gehalten und wir haben es durchgehalten. Das Motto vor zwanzig Jahren bleibt aktuell. Nach 1945 war in unserem Land die vorherrschende Meinung: „Nie wieder Faschismus! - Nie wieder Krieg!“ Aber - allein seit 1990 wurden in Deutschland über 180 Menschen von Neonazis ermordet und vor wenigen Monaten erfuhren wir, dass „NSU-Mörder“ mitten unter uns lebten. Es heißt, die Mörder und Bombenleger des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ hätte man nicht fassen können. Da bleibt vieles zu hinterfragen. Wir wissen: Nach dem 2. Weltkrieg wurden in der Bundesrepublik die diversen „Dienste“, die Polizei, die Justiz und die Armee, von Nazi-Spezialisten aufgebaut. Merkt man es heute noch? Der Verfassungsschutz und andere Organe sind offensichtlich bis heute auf dem rechten Auge blind. Die Neonazis marschieren unter Polizeischutz, Gegendemonstranten werden hart angegangen und regelmäßig ermitteln Staatsanwälte hinterher gegen „Nazi-Blockierer“. Und immer wieder hören wir Rechtfertigungen wie: es gibt auch für Nazis „Meinungs- und Demonstrationsfreiheit“. Allmählich sollte eigentlich jeder begreifen: Neofaschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen.

 

80 Jahre nach der „Machtergreifung“
Dieses Jahr jährt sich zum 80. Mal die Machtübertragung an den deutschen Faschismus. Nicht alle wissen: Es waren die Kräfte des Großkapitals, die dem Hitlerfaschismus letztlich zur Macht verholfen haben. Brutale Unterdrückung des Widerstandes im eigenen Land, Aufrüstung, Krieg und Mord an Millionen waren die Folge. Zu den ersten Opfern gehörten Mitglieder der KPD, der SPD, Gewerkschafter und andere Antifaschistinnen und Antifaschisten. Es begann der Holocaust. Im Januar 1933 gab es „geheime Verhandlungen“ zwischen Hitler und Papen im Haus des Bankiers Schröder in Köln. Es gab das Treffen der „Führer der Wirtschaft“ mit Hitler, Heß und Göring. Am 30. Januar 1933 beauftragte Reichspräsident Hindenburg Hitler mit der Regierungsbildung, Hitler wird Reichskanzler. Am 3. Februar verkündet Hitler vor führenden Reichswehr-Vertretern die „Eroberung neuen Lebensraumes im Osten und dessen rücksichtslose Germanisierung“ als Ziel seiner Politik. Im Februar kam es zum „Geheimtreffen“ Hitlers mit 25 Industriellen, der NSDAP wird ein Wahlfonds von drei Millionen Reichsmark zur Verfügung gestellt. Das ist 80 Jahre her. Man muss daran erinnern. Die Aufzählung dieser knappen Daten zeigt wie schnell es gehen kann, wenn die Widerstandskräfte schwach, zersplittert und uneinig sind.


Dort wo man Bücher verbrennt . . .
Bald gab es erste Bücherverbrennungen. „...dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen,“ schrieb Heinrich Heine 1823 in seinem Theaterstück Almansor. So ist es gekommen. Genau 80 Jahre danach erinnern wir an diese Ereignisse. Weil wir wissen, Bertolt Brecht hat recht mit dem Satz: „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem dies kroch“.


Das Flüchtlingselend darf niemand kalt lassen
Gegen Faschismus und Krieg aufzutreten, an Judenpogrome und Holocaust zu erinnern, war und ist für uns Auftrag. Immer wieder zeigen wir aber auch auf das Flüchtlingselend unserer Tage und benennen die Verbrechen, die nicht enden wollen. Während der letzten 20 Jahre kamen nach Schätzungen annähernd 15.000 Menschen entlang der europäischen Grenzen ums Leben. Ständig Schreckensmeldungen. Bilder und Namen, die sich einprägen. Lampedusa. Bootsflüchtlinge verhungern und verdursten, kentern. Wir reden von „Frontex“, von den Verbrechen des „Zurückschickens“. Wir werden damit nicht aufhören. Bei einem Besuch der Gedenkstätte für das KZ Buchenwald fanden wir ein Zitat von Johann Wolfgang von Goethe:

„Toleranz sollte eigentlich nur eine vorübergehende Gesinnung sein:

Sie muss zur Anerkennung führen. Dulden heißt beleidigen.“
Unrecht dulden wollen wir nicht.